Kampagne #HastaSerEscuchadas

Kampagne #HastaSerEscuchadas

Geschlechtsspezifische Gewalt in Mexiko

Hintergrund

Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine gravierende Verletzung der Menschenrechte und stellt in Mexiko ein systematisches und historisches Problem dar. Der Bundesstaat México ist davon besonders betroffen. Der Bundesstaat ist mit fast 17 Mio. Einwohner*innen einer der bevölkerungsreichsten und am stärksten urbanisierten der 32 Bundesstaaten des Landes. Er weist die zweithöchste Rate der Wahrnehmung mangelnder öffentlicher Sicherheit und die höchste Straflosigkeitsrate des Landes auf.

In den letzten Jahren hat die Zahl der Feminizide – Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts – kontinuierlich zugenommen. Nach Angaben des Sekretariats für Öffentliche Sicherheit (Secretariado Ejecutivo del Sistema Nacional de Seguridad Pública) gab es zwischen dem 1. Januar und dem 31. Oktober 2022 insgesamt 120 Feminizide im Bundesstaat México, die höchste Zahl aller Bundesstaaten des Landes. Gleichzeitig hat diese Behörde die meisten offenen Ermittlungsverfahren in Fällen von Feminiziden.

Auch Fälle des Verschwindenlassens von Frauen und Mädchen haben im Bundesstaat México in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Allein im Jahr 2022 wurden im Bundesstaat México 712 Fälle des Verschwindenlassens von Frauen und Mädchen gemeldet, wie aus den Zahlen der Nationalen Suchkommission (Comisión Nacional de Búsqueda) hervorgeht.

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Als Reaktion auf diese Situation analysierte Amnesty International Mexiko in dem Bericht “Justice on Trial” (Gerechtigkeit vor Gericht) den Fortschritt von drei strafrechtlichen Ermittlungen, die von den Behörden in Fällen von Frauenmorden durchgeführt wurden, denen ein Verschwindenlassen vorausging, sowie in einem Fall, in dem das Verschwindenlassen wahrscheinlich mit einem Frauenmord endete.

Der Bericht belegte schwerwiegende Mängel bei den Ermittlungen, eine Re-Viktimisierung der Familien der Opfer und die Verletzung ihres Rechts auf Zugang zur Justiz, Rechtsschutz sowie eine gerechte und wirksame Entschädigung. Gleichzeitig betont der Bericht, dass diese Versäumnisse bei der Untersuchung und Prävention von Feminiziden im Bundesstaat Mexiko Teil eines strukturellen Problems im gesamten Land darstellen.

Warum jetzt diese Kampagne?

Durch die Kampagne #HastaSerEschuchadas (Bis wir gehört werden) sollen die vier von Amnesty International dokumentierten Fälle und die Forderungen nach Wahrheit und Gerechtigkeit der betroffenen Mütter und Töchter sichtbar gemacht werden:

Kampagne #HastaSerEscuchadas

  • Nadia Muciño Márquez verschwand im Jahr 2004 und wurde im gleichen Jahr getötet. Ihre Mutter María Antonia Márquez Hernández setzt sich für die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit in dem Fall ein.
  • Daniela Sánchez Curiel verschwand im Jahr 2015. Ihr Verbleib ist weiterhin unbekannt, ihre Familie vermutet, dass Daniela Opfer eines Feminizids wurde. Ihre Mutter Laura Curiel setzt sich für die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit in dem Fall ein.
  • Diana Velázquez Florencia verschwand im Jahr 2017 und wurde im gleichen Jahr getötet. Ihre Mutter Lidia Florencio setzt sich für die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit in dem Fall ein.
  • Julia Sosa Conde, verschwand Ende 2018 und wurde im gleichen Jahr getötet. Ihre Tochter Ana Sosa Conde setzt sich für die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit in dem Fall ein.

Seit 2021 unterstützt Amnesty International Mexiko die Mütter und Töchter der Opfer der im Bericht „Justice on Trial“ dokumentierten Fälle. Dies hat zu wichtigen Fortschritten beim Zugang zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung für die Opfer und ihre Mütter geführt, wie zum Beispiel:

  • Ende 2021 nahm AI Mexiko an einer öffentlichen Anhörung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) im Fall von Nadia Muciño Márquez teil. Die Behörden des Bundesstaates México verpflichteten sich zu einer umfassenden Entschädigung der Familie des Opfers. Gleichzeitig würdigte die IACHR den Kampf von María Antonia, der Mutter von Nadia, um Gerechtigkeit für ihre Tochter.
  • Im Jahr 2022 wurde ein Urteil im Fall des Feminizids an der 2017 verschwundenen und getöteten Diana Velázquez Florencio gefällt. Dieses Urteil stellt einen Fortschritt im Kampf von Lidia Florencio, Dianas Mutter, dar. AI Mexiko wird sie weiterhin unterstützen, damit die Verbrechen der sexualisierten Gewalt in diesem Fall nicht ungestraft bleiben.

Kampagne #HastaSerEscuchadas

Öffentliche Entschuldigung – ein erster Schritt

Im Anschluss an die Zusage der Behörden während der IACHR-Anhörung hat sich Amnesty International bei der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates México für eine öffentliche Entschuldigung bei den Müttern für die Versäumnisse bei den Ermittlungen und für die fehlenden Garantien für die Sicherheit und den Schutz von Frauen und Mädchen im Bundesstaat Mexiko eingesetzt.

AI Mexiko hat sich regelmäßig mit Vertreter*innen der Generalstaatsanwaltschaft, den Müttern und ihren Anwält*innen getroffen, um gemeinsam eine Veranstaltung zu planen, in der die Behörden ihre Verantwortung in diesen speziellen Fällen anerkennen und sich verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um geschlechts-spezifische Gewalt im Bundesstaat México wirksam zu verhindern, zu untersuchen, zu verfolgen und zu bestrafen.

Die Generalstaatsanwaltschaft von Mexiko hatte im Zusammenhang mit den von Amnesty International dokumentierten Fällen eine öffentliche Entschuldigung versprochen, ist dem bis heute jedoch noch nicht nachgekommen.

Eine öffentliche Entschuldigung würde die Defizite bei der Untersuchung der Fälle, den Mangel an wirksamen Maßnahmen zur Verhinderung, Untersuchung, Verfolgung und Bestrafung geschlechtsspezifischer Gewalt im Bundesstaat México anerkennen. Eine solche öffentliche Entschuldigung wäre ein erster Schritt der Wiedergutmachung, ist jedoch unzureichend. Dennoch wäre sie von symbolischer Bedeutung. Sie stellt eine Gelegenheit für Amnesty International dar, ihre Solidarität zu bekunden und die Behörden aufzufordern, sich zu verpflichten, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht von Frauen und Mädchen auf ein Leben frei von Gewalt zu garantieren.

Daher fordert Amnesty International eine öffentliche Entschuldigung der Generalstaatsanwaltschaft zu den Fällen von Nadia Muciño Márquez, Daniela Sánchez Curiel, Diana Velázquez Florencio und Julia Sosa Conde sowie die Gewährleistung der Rechte der Opfer und ihrer Familien auf Gerechtigkeit und umfassende Entschädigung.

Mehr zum Amnesty Bericht:

 

Unsere Mitstreiterinnen von der Kogruppe Menschenrechtsverletzungen an Frauen haben Materialien zur Kampagne erstellt und können unter diesem Link erreicht werden.